In den frühen Morgenstunden des 7. Oktobers startete eine Gruppe von 20 Personen in Richtung Andalusien, um sich in Granada und Cordoba auf die Spuren von Judentum, Christentum und Islam zu begeben. Diese Exkursion wurde seit dem Frühjahr dieses Jahres durch zwei Mitarbeiter des Emil-Frank-Instituts inhaltlich und organisatorisch vorbereitet.

Die Förderung des Trialogs setzt einen neuen Akzent in der Arbeit des Instituts. Bei uns eher aus jüngster Geschichte bekannt, sind die Hinweise auf eine wie auch immer geartete Weise des Zusammenlebens von Juden, Christen und Muslimen in Andalusien bis ins frühe Mittelalter zurückzuverfolgen. Spätestens, als die Muslime im Jahr 711 auf die iberische Halbinsel übersetzten und innerhalb weniger Jahrzehnte fast ganz Spanien erobert hatten, begann sich diese dritte Weltreligion hier für Europa neben wenigen anderen Regionen (Sizilien), am imposantesten zu manifestieren. Architektur, Lebensweise, Musik, Sprache und Selbstverständnis weisen bis heute Spuren dieser Zeit auf.

Den größten Teil der Exkursion verbrachten wir in Granada. Diese zuletzt von den Katholischen Königen zurückeroberte Stadt beherbergt das wohl größte Denkmal jener Zeit – die Alhambra. Diese Stadtfestung bot seit dem 13. Jahrhundert Platz für das Leben der Bürger, war also Zentrum für Handel und Kult, war Heimstadt der muslimischen Herrscher des verbliebenen Al-Andalus und militärische Bastion. Von hier boten sich uns überwältigende Blicke in Richtung der Sierra Nevada und der Alpujarras, dem Gebirge, in das sich die übrigen Muslime nach der Reconquista zurückzogen und als Zwangskonvertiten weiterhin ihr Leben als Muslime pflegten, bis sie schlussendlich nach mehreren Aufständen ganz vertrieben wurden. Die Kathedrale Granadas, an der Stelle der vormaligen Freitagsmoschee im 16. / 17. Jh. errichtet, die Klostergründungen zur Rechristianisierung Spaniens überwältigen uns durch ihre Pracht und gigantischen Ausmaße. Das Monasterio de la Cartuja (Kartäuserkloster), die Klosterkirche des Hieronymusordens und die Grabkapelle der katholischen Könige, Isabel la Catolica nebst Ehemann Ferdinand II., ihrer Tochter Juana la Loca und deren Gemahl Filipe und ihrem Sohn Miguel, gaben uns einen nachhaltigen Eindruck davon, wie umfangreich die Reconquistadores ihre Spuren hinterlassen haben. In der Königskapelle durften wir die Heilige Messe  feiern, die von Pfr. Schneider, einem Teilnehmer der Reisegruppe, zelebriert wurde. Die Stimmung während dieser Feier wurde getragen von den Eindrücken des Mittelalters und der frühen Neuzeit, als die Religionen sich nicht friedlich begegnen konnten und dem Exklusivismus verhaftet ständig um die weltliche Vormachtstellung ihrer Wahrheit kämpften. Das Judentum jener Tage war jeweils leidtragende Religion der Vorherrschaft der beiden anderen Weltreligionen. Die Bitte für eine friedliche Verständigung der Religionen zog sich wie ein roter Faden durch unseren Gottesdienst. Beim Besuch der Abtei Sacromonte trafen wir auf alte Spuren des Christentums. Hier soll man auf Gebeine christlicher Märtyrer, vor allem jene des Hl. Cäcilius (1. Bischof Granadas) gestoßen sein. Bleierne runde Buchtafeln sollen von dieser Zeit zeugen.

Weitere Highlights in Granada waren die beiden Besuche in den so unterschiedlich geprägten muslimischen Moscheegemeinden. Während sich die eine uns nur scheinbar offen präsentierte, aber eigentlich einer traditionalistischen Richtung zuzuordnen ist, bot sich uns in der an zweiter Stelle besuchten herzliche Gastfreundschaft und Zeit für Vortrag und zahlreiche kritische Nachfragen. Aber auch in der traditioneller gesonnenen Gemeinde wurden wir in den öffentlichen Bereichen gastfreundlich geführt.

Möchte man Granada und seine Kultur verstehen, gehören selbstverständlich auch Flamenco und Kulinarisches dazu. Einer Darbietung dieses aus den Reihen der Gitanos entstammenden Tanzes verschönerte uns einen Abend bei typisch andalusischen Speisen.

Wer Cordoba kennt, wird diese Stadt mit der gewaltigen Kathedrale, die einst eine Moschee war, verbinden. Wäre sie noch Moschee, würde sie zu den drei weltweit größten Moscheen gehören. Anders als an anderen Orten Spaniens, wurde hier die Moschee nicht abgerissen. Man pflanzte den in der Gesamtwirkung des Gebäudes eher befremdlichen Kathedralteil mitten in die ursprüngliche Moschee. Für sich genommen faszinieren das kunstvolle Chorgestühl, die beiden meisterhaften Orgeln und die Ornamentik. Doch eine simultane Nutzung des Gebäudes durch beide Religionen bleibt weiterhin ausgeschlossen. Jüngste Ausgrabungen eines älteren christlichen Kirchengebäudes unterstreichen neben dem architektonischen Interesse, dass hier nun das Christentum wieder Fuß gefasst hat. Doch auch die differente Deutung eines religiösen Gebäudes macht es nicht einfach, in der heutigen Zeit eine Kirche gleichzeitig als Moschee freizugeben. Die Festung der Stadt beherbergte Königin Isabel in ihrer Vorbereitung der endgültigen Rückeroberung ganz Spaniens im Süden. Das jüdische Viertel Cordobas birgt eine Kostbarkeit. Zwar nicht mehr ursprünglich erhalten, aber im Grundwesen und durch zahlreiche Schriftzüge immer noch erkennbar, ist die mittelalterliche Synagoge fester Bestandteil jeder Stadtführung. Sie ist eine der drei mittelalterlichen Synagogen Spaniens, die bis heute erhalten geblieben sind. Im Viertel findet man ein Denkmal, welches an den bekannten jüdischen Philosophen Maimonides erinnert, in seinen Gedanken ein geistiger Vorreiter jener Zeit.

Weiterer Gastgeber unserer Reisegruppe war die Theologische Fakultät Granada. Prof. Dr. José Luis Sanchez Nogales, ein in ganz Spanien bekannter Fachmann für den Dialog mit dem Islam, präsentierte uns eindrücklich anhand aktueller Daten die Situation des Islam in Spanien und die Bemühungen um Verständigung zwischen den Religionen.

Eine Lehre können wir wohl insbesondere gezogen haben: Man muss das historische Gedächtnis ganz genau bemühen, um positive Ansätze für ein gelingendes Zusammenleben der unterschiedlich religiösen Menschen von heute zu finden. Alle Glaubensrichtungen ziehen wegen Fehlinterpretationen ihrer Anhänger Blutspuren durch die Geschichte. Dabei ist es nicht wichtig, über das jeweilige Ausmaß der Gewalt zu befinden. Vielmehr sind in der historischen Betrachtung Vorbilder und beispielhafte Ereignisse zu suchen, die auf die Möglichkeit des Friedens unter den Religionen ohne falsche Verwässerung hoffen lassen, um in der Verbindung mit neuesten Erkenntnissen und Ansichten diesem Frieden ein Stück näher zu kommen.

Andalusien bot uns beeindruckende Zeitzeugen in Stein, aber auch lebende Zeugen Europas dafür, dass die Begegnung von Kulturen und Religionen nicht nur ein Clash, sondern auch eine fruchtbare Symbiose sein kann.