Vor 50 Jahren starb in Israel der vor allem als Begründer der Dia-Logik und Übersetzer der Heiligen Schrift hoch geehrte Martin Buber, einer der wichtigsten jüdischen Denker des 20. Jahrhunderts. Er inspirierte mit seiner Aufnahme johanneischer Terminologie und seiner bevorzugten Einbindung Jesu in die dialogische Philosophie vor allem Christen (bis in die höchsten Ebenen) und bemühte sich Zeit seines Lebens, auch angesichts des Antisemitismus um den interreligiösen Dialog. Das Emil-Frank-Institut lud aus diesem Anlass zu einer gut besuchten literarisch-musikalischen Annäherung an den Religionsphilosophen am 10. Dezember 2015 in die Kultur- und Tagungsstätte Synagoge in Wittlich ein.
Martin Buber, 1878 in Wien in einer großbürgerlichen Familie geboren und im chassidischen Milieu in Galizien aufgewachsen, lebte und wirkte über viele Jahrzehnte auch in Deutschland. Von 1916 bis zur Vertreibung im Jahre 1938 wohnte er mit seiner Familie in Heppenheim an der Bergstraße. Sein damaliges Haus ist heute eine Begegnungs- und Erinnerungsstätte sowie sinnigerweise Sitz des internationalen Rates der Christen und Juden. Eine Dauerausstellung dort macht die Besucher mit seinem Leben und Werk bekannt.
Als Veranstaltung im Rahmen der diesjährigen „trialogischen Intensivzeit“ organisierte das Emil-Frank-Institut eine fünftägige Exkursion vom 14.10. - 18.10.2015 nach Apulien. Auf dem Programm standen die Besichtigung der Städte Trani, Bari und Lucera – Städte, deren Historie eng mit der Geschichte des Judentums, Christentums und des Islam sowie der gegenseitigen kulturellen bzw. religiösen Beeinflussung der drei Religionen verbunden ist. Hinzu kamen ein Ausflug auf die Halbinsel des Gargano nach Monte Sant‘ Angelo, einer bedeutenden Verehrungsstätte des Erzengels Michael, und die Besichtigung des von Friedrich II. erbauten Castel del Monte, in welchem sich vorderorientalische Architekturelemente wiederfinden, die aus dem islamischen Kulturraum stammen. Einen Abschluss fand die Fahrt im Besuch der „weißen Stadt“ Ostuni und des Trullistädtchens Alberobello, in dessen Gebiet sich zur Zeit des italienischen Faschismus ein Campo di Concentramento befand.
Die zehn TeilnehmerInnen wurden von den beiden Reiseleitern René Richtscheid (Geschäftsführer des Emil-Frank-Instituts) und Natalie Uder (Mitarbeiterin im Themenfeld des jüdisch-christlich-islamischen Trialogs) während der gesamten Bildungsfahrt begleitet und eingehend über das Zusammenleben von Juden, Christen und Muslimen von der Antike bis zur Gegenwart informiert.
Wie in jedem Jahr organisierten der Arbeitskreis „Jüdische Gemeinde Wittlich“, das Kulturamt der Stadt Wittlich und das Emil-Frank-Institut wieder Veranstaltungen zum Gedenken an die Opfer der Verbrechen vom 9./10.November 1938 überall in Deutschland und im Besonderen in Wittlich.
Auf dem Marktplatz versammelten sich knapp 100 Wittlicherinnen und Wittlicher und bildeten einen Schweigekreis um den auf den Boden skizzierten Davidstern mit seinen Lichtern. Still gedachten sie ihrer ehemaligen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die so viele am Marktplatz gelegene Häuser bewohnten.
In einem anderen Licht erschien das Emil-Frank-Institut am vergangenen Sonntagabend. Der Schauspieler Manuel Klein und die Musikerin Anne Kaftan präsentierten im Garten des Hauses Mehs eindrucksvoll das Leben des Alt-Bürgermeisters und Ehrenbürgers der Stadt Wittlich, Matthias Joseph Mehs.
Aus der ehemaligen Synagoge, die bis zum Dezember 1975 eine - wenn auch im Baukörper gut erhaltene - Ruine war, wurde im März 1976 eine neue Kultur- und Tagungsstätte. Das wuchtig und gedrungen wirkende Gebäude, dessen Baumassen nach oben zu streben scheinen, präsentiert sich in seinem Äußeren fast genau so wie im Einweihungsjahr 1910.
Unter dem damaligen Kreisbaumeister Johannes Vienken wurde der Bau 1909 begonnen und in rund einjähriger Bauzeit vollendet. Die traditionell vorgegebene Synagogenanlage – ein rechtwinkliger Hauptraum für die Männer mit schmaler nach Osten gerichteter Apsis als Aufbewahrungsort der Tora-Rollen und mit Emporen für die Frauen sowie ein Harmonium auf den anderen drei Seiten – wurde im romanischen Baustil verwirklicht.
Die Ornament-Malereien im Halbrund des Ostraums hingegen, wo sich auf erhöhtem Fundament vor dem Toraschrein auch der Almemor und die ewige Lampe befanden, das Pult, von dem aus die Tora verlesen wurde, atmen reinen Jugendstil-Geist.
Sie wurden anhand erhalten gebliebener Entwürfe und der verblassten Relikte mit großer Sorgfalt ebenso restauriert wie die Schmuckbänder an den übrigen Bauteilen im Inneren.
Die Estrade im Ostraum ist jetzt zu einer kleinen Bühne geworden, mit belassener Tora-Nische. Die Ummauerung hat der für die Bauarbeiten verantwortliche Architekt nach außen an die linke Seite der Fassade versetzt. Dort verdeckt es den notwendig gewordenen flachen Anbau, der Garderoben, Toiletten, Künstler-Aufenthaltsräume und die Heizungsanlage enthält, und so angefügt wurde, dass die linken Außenmauern der Synagoge im Innern sichtbar blieben – eine sehr gelungene Lösung im Sinne höchstmöglicher Erhaltung und unumgänglicher funktioneller Umgestaltung.
Zu der neuen Funktion des alten Gottes- und Gemeindehauses gehört es vor allem, Kammermusikabenden, Studio-Theateraufführungen, Liederabenden, literarischen Veranstaltungen einen würdigen Rahmen zu geben, aber auch Tagungen und Schulungen. Insbesondere finden aber auch regelmäßig Gedenkveranstaltungen und pädagogische Führungen statt.
Die Synagoge war 1909/10 für rund 250 Mitglieder der relativ großen jüdischen Gemeinde in Wittlich errichtet worden; die neue Bestuhlung hat ungefähr die gleiche Größenordnung. Während bei der Eröffnung – wie aus zeitgenössischen Berichten hervorgeht – die ganze Stadt regen Anteil nahm, sah das Bild 28 Jahre später völlig anders aus. Während des Novemberpogroms, am 9. November – in Wittlich am 10. November - 1938 wurde der Innenraum mitsamt Gebetbüchern und Torarollen zerstört.
Das erhalten gebliebene Gebäude diente während des Krieges als Lager für Kriegsgefangene – daher der Stacheldraht, der in eines der Rundfenster "eingeschmolzen" ist; dann stand es 30 Jahre lang leer, mit zerschlagenen Fenstern und Schutt im Inneren, dem Verfall preisgegeben.
1973 nahm der damalige Bürgermeister Karl-Adolf Orth erste Gespräche mit der Jüdischen Kultusgemeinde Trier und mit ehemaligen Wittlicher Juden auf, um über das weitere Schicksal des in der Eifel-Moselregion wohl einzigartigen Gebäudes zu beraten.
Sie führten zwei Jahre später zum Erwerb des Gebäudes durch die Stadt Wittlich und zu dem Plan, aus der Synagoge eine Kultur- und Tagungsstätte zu machen und die Wiederherstellung des architektonisch erhaltenswerten und für die Stadtgeschichte bedeutsamen Baues mit einer neuen Nutzung zu verbinden.
Gestützt auf finanzielle Zusagen von Land und Bund wurde noch im Dezember 1975, dem Jahr des Denkmalschutzes, mit den ersten Arbeiten begonnen. Eine Million DM schossen Bund und Land bei, 300.000 DM die Stadt.
1991 wurde im Nebengebäude die Dauerausstellung „Jüdisches Leben in Wittlich“ eröffnet und 2010 erfolgte schließlich eine aufwendige Renovierung, wobei Barrierefreiheit erreicht wurde.
Als Mahnmal erinnert das Gebäude an zwei prominenten Stellen an das Schicksal der Wittlicher Juden. Auf einer Steintafel in der Eingangshalle sind sind die bekannten Namen der dem Holocaust zum Opfer Gefallenen eingraviert. Ferner stehen auf einer Gedenktafel im einstigen Toraschrein auf
Hebräisch die Worte:
"Denke, Gott, der Seelen der Gerechten
der Gemeinde Wittlich, die ihr Leben
opferten für die Heiligkeit Gottes",
und auf Deutsch
"Die Wittlicher Synagoge, errichtet im Jahre 1910,
war das geistige Zentrum
einer blühenden jüdischen Gemeinde.
Den Opfern nationalsozialistischer Verfolgung
aus Wittlich 1933 bis 1945 zum Gedenken.
Den Lebenden zur Mahnung."
Ansprechpartner für Führungen:
Das Programm für das zweite Halbjahr ist erschienen und wird Ihnen, sofern Sie in den entsprechenden Verteilern aufgenommen sind, per E-Mail oder auf dem Postweg demnächst zugehen. Sie können es allerdings auch über den nachstehenden Link als Pdf-Datei von der Homepage herunterladen.
Wir wünschen Ihnen viele interessante und spannende Erfahrungen und uns eine rege Teilnahme.
Auf jüdischen Spuren durch Frankfurt, so lautete das Thema der Exkursion am vergangenen Sonntag, die 31 sehr interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatte.
Während der Fahrt bereits berichtete der Geschäftsführer des Emil-Frank-Instituts, René Richtscheid, Wissenswertes über das jüdische Leben in der Mainmetropole und die ehrenamtliche Mitarbeiterin, Monika Metzen-Wahl, von geographischen sowie geschichtlichen Gegebenheiten dieser Weltstadt.
Vor zahlreichen interessierten Zuhörern stellte Franz-Josef Schmit am Donnerstag, den 18.06.2015 in der Synagoge sein Buch „Vertriebene sind wir, Verbannte“ vor. Das Werk berichtet von fünf deutsch-jüdischen Juristen aus Wittlich, beschreibt ihren Lebensweg über Ausbildung und Berufsleben. Das durch die nationalsozialistische Gesetzgebung verhängte Berufsverbot führte zu ganz persönlichen Einschnitten in den jeweiligen Lebenswegen. Auswanderung und meist völliger Neuanfang prägte die jeweiligen Biographien bis an ihr Lebensende.
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