Die Synagoge in Wittlich
Aus der ehemaligen Synagoge, die bis zum Dezember 1975 eine - wenn auch im Baukörper gut erhaltene - Ruine war, wurde im März 1976 eine neue Kultur- und Tagungsstätte. Das wuchtig und gedrungen wirkende Gebäude, dessen Baumassen nach oben zu streben scheinen, präsentiert sich in seinem Äußeren fast genau so wie im Einweihungsjahr 1910.
Unter dem damaligen Kreisbaumeister Johannes Vienken wurde der Bau 1909 begonnen und in rund einjähriger Bauzeit vollendet. Die traditionell vorgegebene Synagogenanlage – ein rechtwinkliger Hauptraum für die Männer mit schmaler nach Osten gerichteter Apsis als Aufbewahrungsort der Tora-Rollen und mit Emporen für die Frauen sowie ein Harmonium auf den anderen drei Seiten – wurde im romanischen Baustil verwirklicht.
Die Ornament-Malereien im Halbrund des Ostraums hingegen, wo sich auf erhöhtem Fundament vor dem Toraschrein auch der Almemor und die ewige Lampe befanden, das Pult, von dem aus die Tora verlesen wurde, atmen reinen Jugendstil-Geist.
Sie wurden anhand erhalten gebliebener Entwürfe und der verblassten Relikte mit großer Sorgfalt ebenso restauriert wie die Schmuckbänder an den übrigen Bauteilen im Inneren.
Die Estrade im Ostraum ist jetzt zu einer kleinen Bühne geworden, mit belassener Tora-Nische. Die Ummauerung hat der für die Bauarbeiten verantwortliche Architekt nach außen an die linke Seite der Fassade versetzt. Dort verdeckt es den notwendig gewordenen flachen Anbau, der Garderoben, Toiletten, Künstler-Aufenthaltsräume und die Heizungsanlage enthält, und so angefügt wurde, dass die linken Außenmauern der Synagoge im Innern sichtbar blieben – eine sehr gelungene Lösung im Sinne höchstmöglicher Erhaltung und unumgänglicher funktioneller Umgestaltung.
Zu der neuen Funktion des alten Gottes- und Gemeindehauses gehört es vor allem, Kammermusikabenden, Studio-Theateraufführungen, Liederabenden, literarischen Veranstaltungen einen würdigen Rahmen zu geben, aber auch Tagungen und Schulungen. Insbesondere finden aber auch regelmäßig Gedenkveranstaltungen und pädagogische Führungen statt.
Die Synagoge war 1909/10 für rund 250 Mitglieder der relativ großen jüdischen Gemeinde in Wittlich errichtet worden; die neue Bestuhlung hat ungefähr die gleiche Größenordnung. Während bei der Eröffnung – wie aus zeitgenössischen Berichten hervorgeht – die ganze Stadt regen Anteil nahm, sah das Bild 28 Jahre später völlig anders aus. Während des Novemberpogroms, am 9. November – in Wittlich am 10. November - 1938 wurde der Innenraum mitsamt Gebetbüchern und Torarollen zerstört.
Das erhalten gebliebene Gebäude diente während des Krieges als Lager für Kriegsgefangene – daher der Stacheldraht, der in eines der Rundfenster "eingeschmolzen" ist; dann stand es 30 Jahre lang leer, mit zerschlagenen Fenstern und Schutt im Inneren, dem Verfall preisgegeben.
1973 nahm der damalige Bürgermeister Karl-Adolf Orth erste Gespräche mit der Jüdischen Kultusgemeinde Trier und mit ehemaligen Wittlicher Juden auf, um über das weitere Schicksal des in der Eifel-Moselregion wohl einzigartigen Gebäudes zu beraten.
Sie führten zwei Jahre später zum Erwerb des Gebäudes durch die Stadt Wittlich und zu dem Plan, aus der Synagoge eine Kultur- und Tagungsstätte zu machen und die Wiederherstellung des architektonisch erhaltenswerten und für die Stadtgeschichte bedeutsamen Baues mit einer neuen Nutzung zu verbinden.
Gestützt auf finanzielle Zusagen von Land und Bund wurde noch im Dezember 1975, dem Jahr des Denkmalschutzes, mit den ersten Arbeiten begonnen. Eine Million DM schossen Bund und Land bei, 300.000 DM die Stadt.
1991 wurde im Nebengebäude die Dauerausstellung „Jüdisches Leben in Wittlich“ eröffnet und 2010 erfolgte schließlich eine aufwendige Renovierung, wobei Barrierefreiheit erreicht wurde.
Als Mahnmal erinnert das Gebäude an zwei prominenten Stellen an das Schicksal der Wittlicher Juden. Auf einer Steintafel in der Eingangshalle sind sind die bekannten Namen der dem Holocaust zum Opfer Gefallenen eingraviert. Ferner stehen auf einer Gedenktafel im einstigen Toraschrein auf
Hebräisch die Worte:
"Denke, Gott, der Seelen der Gerechten
der Gemeinde Wittlich, die ihr Leben
opferten für die Heiligkeit Gottes",
und auf Deutsch
"Die Wittlicher Synagoge, errichtet im Jahre 1910,
war das geistige Zentrum
einer blühenden jüdischen Gemeinde.
Den Opfern nationalsozialistischer Verfolgung
aus Wittlich 1933 bis 1945 zum Gedenken.
Den Lebenden zur Mahnung."
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