„Aus dem Tagebuch eines Mitreisenden“

 

San Nicola Bari

Als Veranstaltung im Rahmen der diesjährigen „trialogischen Intensivzeit“ organisierte das Emil-Frank-Institut eine fünftägige Exkursion vom 14.10. - 18.10.2015 nach Apulien. Auf dem Programm standen die Besichtigung der Städte Trani, Bari und Lucera – Städte, deren Historie eng mit der Geschichte des Judentums, Christentums und des Islam sowie der gegenseitigen kulturellen bzw. religiösen Beeinflussung der drei Religionen verbunden ist. Hinzu kamen ein Ausflug auf die Halbinsel des Gargano nach Monte Sant‘ Angelo, einer bedeutenden Verehrungsstätte des Erzengels Michael, und die Besichtigung des von Friedrich II. erbauten Castel del Monte, in welchem sich vorderorientalische Architekturelemente wiederfinden, die aus dem islamischen Kulturraum stammen. Einen Abschluss fand die Fahrt im Besuch der „weißen Stadt“ Ostuni und des Trullistädtchens Alberobello, in dessen Gebiet sich zur Zeit des italienischen Faschismus ein Campo di Concentramento befand.

Die zehn TeilnehmerInnen wurden von den beiden Reiseleitern René Richtscheid (Geschäftsführer des Emil-Frank-Instituts) und Natalie Uder (Mitarbeiterin im Themenfeld des jüdisch-christlich-islamischen Trialogs) während der gesamten Bildungsfahrt begleitet und eingehend über das Zusammenleben von Juden, Christen und Muslimen von der Antike bis zur Gegenwart informiert.

Erster Tag:

Nachdem die Gruppe nach einem Abflug in Eiseskälte von wärmenden Sonnenstrahlen und einer Temperatur, die bei ca. 25°C lag, im süditalienischen Bari empfangen wurde, machten wir uns startklar für den ersten Programmpunkt. Mit dem Bus fuhren wir nach Bari. Im Laufe der Geschichte ließen sich in jener Stadt immer wieder Menschen verschiedener Herkunftsländer nieder, sodass Bari ein „Tummelplatz“ diverser Kulturen wurde. Im 9. Jahrhundert war sie sogar für einige Jahrzehnte Hauptstadt eines arabischen Emirats. Nun sind wir es, die durch die engen, verwinkelten Gassen der wunderschönen Altstadt hin zur Kathedrale San Sabino schlendern. Einst war San Sabino als Sitz des Erzbischofs die wichtigste Bareser Kirche. Doch wurde ihr dieser bedeutsame Rang von der Basilika San Nicola, die ebenfalls in Bari zu finden ist, streitig gemacht. Denn in San Nicola befinden sich die aus Myra entführten Gebeine des heiligen Wundertäters Nikolaus. Folglich entwickelte sich die Basilika über Jahrhunderte hinweg zu einer obligatorischen Etappe sowohl für Pilger aus Europa, die nach Konstantinopel oder Jerusalem zogen, als auch für jene, deren Ziel Rom oder Santiago de Compostela war. Aber auch aufgrund ihres architektonischen Stils kommt San Nicola eine besondere Bedeutung zu, denn in ihr kommt Ornamentik und Plastik zum Tragen, die Klassisch-Orientalisches und Abendländisches miteinander verschmelzen lässt.

Als wir unseren kleinen von den beiden Reiseleitern geführten Stadtrundgang – der für mich den Genuss meines ersten, echten italienischen Espresso beinhaltete – beendet hatten, fuhren wir zu unserem Hotel in Trani. Dort, nach einem herrlichen Abendspaziergang in lauwarmer Luft und in den Ohren das Rauschen des Meeres, nahmen wir als Gruppe in ungezwungener Atmosphäre in einer direkt am Hafen gelegenen Pizzeria unser Abendessen ein.

Zweiter Tag:

Heute standen auf dem Programm ein historischer Rundgang durch Trani (vormittags) und ein Ausflug zum Castel del Monte (nachmittags), ebenfalls mit einer geführten Besichtigung.

Was haben wir in Trani gesehen? Die Kathedrale San Nicola Pellegrino, die als Juwel der apulischen Romanik gehandelt wird und in enger Konkurrenz zu San Nicola in Bari steht. Laut einer Legende gelangte ein Pilger namens Nikolaus nach Trani, verstarb dort, bewirkte jedoch vor und nach dem Ableben einige Wunder, weshalb man ihn Anfang des 11. Jahrhunderts Heilig sprach. So hatten nun auch die Tranenser ihren Heiligen namens Nikolaus. Danach gingen wir ins Gebiet des ehemaligen Judenviertels. Dort erfuhren wir einiges Interessante über das jüdische Leben in Trani im Laufe der Geschichte; zwei der ehemals vier Synagogen, die "Scola Nova" und die "Sinagoga Grande", sind in ihrer Bausubstanz noch heute zu sehen. Sie wurden jahrhundetelang als Kirchen genutzt und werden derzeit wieder als Mahn- und Museumsort bzw. als Versammlungsraum für die wenigen heutzutage in Trani und Umgebung lebenden Juden zugänglich gemacht. Nach einer Mittagspause fuhren wir zum Castel del Monte.

Herrlich, diese Aussicht von oben…freie Sicht in alle Himmelsrichtungen! Aber auch das Castel selbst ist höchst sehenswert. Aus welchem Grund es von Friedrich II. errichtet wurde, ist fraglich. Darüber ist man sich in der Wissenschaft nicht einig. Vermutlich nahm es die Funktion einer „Akademie“ ein, in der Forschung und Lehre betrieben wurden. Ebenso geht man davon aus, dass das Castel für besondere Feierlichkeiten benutzt wurde. Einen Falkenhorst gab es dort ebenfalls. Friedrich II. liebte bekanntlich ja die Jagd mit Falken – eine Tradition, die er sich aus dem orientalisch-muslimischen Kulturraum abgeschaut hat. Dass ihm „das Exotische“ gefiel, spiegelt sich in der Architektur des Baus wieder. Wenn man genau hinschaut, lassen sich vorderorientalische Architekturelemente finden. Aber im Großen und Ganzen ist der Bau ein einziges, großes Rätsel. Beeindruckend die für die Zeit überaus moderne Sanitäreinrichtung inklusive Toiletten, ausgestattet mit natürlicher Belüftungsanlage.

Rückfahrt ins Hotel. Einige sind zum Sandstrand gegangen. Ich mochte mich lieber im Hotel entspannen. Habe heute fangfrischen Fisch gegessen, quasi direkt vom Meer auf den Teller. Ein Gedicht!!!

Dritter Tag:

Fuhren am Vormittag auf die Halbinsel des Gargano nach Monte Sant‘ Angelo. Dort stiegen wir zur Grotte hinab, in welcher der Erzengel Michael verehrt wird. Laut einer Legende soll Michael sich diese schlichte Höhle selbst als Verehrungsort ausgesucht haben. Vermutlich befand sich hier jedoch zuvor die Kultstätte einer paganen Naturgottheit. Das würde auch erklären, warum der Heilige Michael in der volkstümlichen Vorstellung zumindest in der Gegend des Gargano nebenbei als eine Art Naturgottheit agiert, welche wohlwollend für Wasser und gutes Wetter in den Weide- und Ernteperioden sorgt. Rasch verbreitete sich der Michaelskult über Europa. Der bekannteste Verehrungsort ist wohl der Mont Saint-Michel in der Normandie.

Nach einer kleinen Stärkung und Erfrischung fuhren wird dann nach Lucera. In jene Stadt ließ der Staufer Friedrich II. die aufständischen sizilischen Sarazenen deportieren. Die Schätzungen über die Zahl der Deportierten schwanken zwischen 15.000 und 20.000 Menschen. Friedrichs Umgang mit den Muslimen in Apulien war für einen christlichen Herrscher seiner Zeit doch ungewöhnlich. Er erlaubte beispielsweise die freie Ausübung der Religion, den Moscheebau und bot ihnen die Möglichkeit der Selbstverwaltung und Rechtsprechung. Aus der Bevölkerungsgruppe der Sarazenen rekrutierte er ebenfalls eine kampfmächtige Truppe, die ihm treu ergeben war. Unter den Anjou fand die bevorzugte Behandlung jedoch ein Ende. Die öffentliche Meinung richtete sich zunehmend gegen die Muslime. Anfang des 14. Jahrhunderts ließ Karl II. von Anjou die Siedlung Lucera zerstören und die überlebenden Sarazenen zwangsumsiedeln oder als Sklaven verkaufen; etwa zur gleichen Zeit wurden auch die Juden der größten Gemeinde Trani zur Konversion gezwungen. Bewusst versuchte man jedwede Erinnerung an die einst in Lucera wohnenden Muslime zu tilgen, womit deren Geschichte hier ihr Ende nahm.

Vierter Tag:

Heute hatten wir zwei schöne Ziele auf dem Programm: einmal die „Weiße Stadt“ Ostuni und das Trullistädtchen Alberobello. Herrlich in den Gäßchen von Ostuni zu schlendern, Olivenöl zu verköstigen und gemütlich ein Eis zu essen. Doch auch historisch gab es so manches zu entdecken. Rund um Ostuni herum kann man noch Überreste von Türmen sehen, die früher genutzt wurden, um durch Feuersignale vor Angriffen der Osmanen zu warnen, die nach der Eroberung Konstantinopels im 15. Jahrhundert auch die süditalienische Küste unsicher machten. Alberobello war ein optisches Idyll. Diese kleinen Steinhäuschen gibt es sonst nirgendwo in solch großer Anzahl. Und doch trügt der Schein. Auch Alberobello hat eine traurige Geschichte vorzuweisen. So diente es in der Zeit des italienischen Faschismus als Campo di Concentramento.

 

Abends gemeinsames Abschlussessen in einer Pizzeria am Hafen. Saßen noch nachts im Freien unter den Wedeln einer Palme und beobachteten das lebhafte Treiben der Menschen.

Fünfter Tag:

Noch einmal großes Zuschlagen am reichhaltigen Frühstücksbuffet, ein letzter italienischer Kaffee. Dann Abreise und Ankunft zu Hause. OH, WAR DAS SCHÖN!!!

Text und Fotos: Manuel Uder
Bilder von oben nach unten:
Bild 1: Westansicht der Pilgerkirche San Nicola in Bari. In ihr werden die Gebeine des Heiligen Nikolaus von Myra aufbewahrt und verehrt. Die Kirche wurde im dort typischen Stil der apulischen Romanik errichtet.
Bild 2: Sicht auf den Hafen von Trani. Im Hintergrund rechts sieht man die Kathedrale San Nicola Pellegrino. Links sich anschließend liegt die Altstadt, in deren Gebiet sich das ehemalige Judenviertel befindet.
Bild 3: Das von Friedrich II. erbaute Castel del Monte.
Bild 4: Eingangsbereich zur Michaelsgrotte auf dem Monte Sant‘ Angelo
Bild 5: Die „Weiße Stadt“ Ostuni
Bild 6: Blick auf die Trullihäuschen in Alberobello