Über 100 Teilnehmer an der Mahnwache
Wie in jedem Jahr organisierten der Arbeitskreis „Jüdische Gemeinde Wittlich“, das Kulturamt der Stadt Wittlich und das Emil-Frank-Institut wieder Veranstaltungen zum Gedenken an die Opfer der Verbrechen vom 9./10.November 1938 überall in Deutschland und im Besonderen in Wittlich.
Auf dem Marktplatz versammelten sich knapp 100 Wittlicherinnen und Wittlicher und bildeten einen Schweigekreis um den auf den Boden skizzierten Davidstern mit seinen Lichtern. Still gedachten sie ihrer ehemaligen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die so viele am Marktplatz gelegene Häuser bewohnten.
So wie auch Bürgermeister Joachim Rodenkirch bei der folgenden Kranzniederlegung an der Synagoge, so mahnte Franz-Josef Schmit vom Arbeitskreis „Jüdische Gemeinde Wittlich“ um Toleranz gegenüber Fremden angesichts der Situation, dass viele tausende Flüchtlinge derzeit Asyl in Deutschland suchen, und in Wittlich ein Erstaufnahmelager für 1.500 Menschen errichtet wird.
Gemeinsam zogen die Teilnehmer zur Synagoge und verfolgten die Kranzniederlegungen am Denkmal für die ermordeten Juden Wittlichs durch Herrn Bürgermeister Rodenkirch und den Ersten Beigeordneten Albert Klein.
Die diesjährige künstlerische Veranstaltung war das Theaterstück „Die Judenbank“ von Reinhold Massag, ein Volksstück für einen Schauspieler, in der Inszenierung des Theaterhauses Stuttgart. Ernst Konarek, der auch unter Peter Zadek an der Freien Volksbühne in Berlin zu sehen war, spielte den Dominikus Schmeinta, einen 70jährigen Knecht, den die Geschichte mittels nationalsozialistischer Verbrecher in die Psychiatrie brachte, wo er auf seine Verlegung, den Weg in den Tod, wartet.
Dabei war alles so schlüssig und richtig: der alte Onkel Minikus wollte als Junge so gerne Lokomotivführer werden, was nicht sein sollte, da er auf dem Bauernhof der Familie arbeiten musste; als alter Mann nun sitzt er gerne auf seiner Bank am Bahnhof und beobachtet die Züge. Doch dann steht auf dieser Bank „nur für Juden“ und Dominikus soll sich nicht darauf setzen dürfen. Da der jüdische Viehhändler misshandelt und vertrieben wurde, lebt in dem süddeutschen Dorf kein einziger Jude mehr, der sich auf die Bank setzten könnte. Der alte Mann kämpft um seine Bank und sieht schließlich keinen anderen Weg zum Ziel mehr, als Jude zu werden. Dies beantragt er bei Adolf Hitler in Berlin persönlich; sofort ist den Faschisten klar, dass nur ein Verrückter einen solchen Antrag stellen kann.
Konarek spielt den schlichten alten Knecht einfühlsam und warm. Er ist schmutzig und verschwitzt, kann kaum noch gehen und versteht die Logik der Nazis nicht. Immer wieder stellt er die grausamen Anordnungen in den Kontext zur christlichen Lehre oder zum gesunden Menschenverstand. In diverse Rollen schlüpft der Schauspieler, die durch entsprechend zugewiesene Gestik charakterisiert werden. Da ist der Neffe, ein überzeugter Nazi, dessen Sohn, ein zweifelnder Junge, der in der Hitler-Jugend versagt, die Nachbarin, die ihren Mann denunzierte und mit dem Nazi-Führer ein Verhältnis beginnt, und die Frau des Neffen, die als Christin handelt und erduldet.
In 27 Szenen zwischen 1937 im Dorf und 1941 in der Heil- und Pflegeanstalt wird Aufbegehren und Untergang des Dominikus Schmeinta gespielt. Beleuchtung und Beschallung beleben das schlichte Bühnenbild sensibel, so dass die Bühne der Synagoge zur Dorfszene wird. Mit jedem Satz schafft Konarek es, die Empathie des Publikums zu berühren und den Wahnsinn des Nationalsozialismus zu entlarven. Eine großartige Aufführung, die das Publikum in der voll besetzten Synagoge begeisterte.
Bilder: Werner Pelm