"Vertriebene sind wir, Verbannte"
Vor zahlreichen interessierten Zuhörern stellte Franz-Josef Schmit am Donnerstag, den 18.06.2015 in der Synagoge sein Buch „Vertriebene sind wir, Verbannte“ vor. Das Werk berichtet von fünf deutsch-jüdischen Juristen aus Wittlich, beschreibt ihren Lebensweg über Ausbildung und Berufsleben. Das durch die nationalsozialistische Gesetzgebung verhängte Berufsverbot führte zu ganz persönlichen Einschnitten in den jeweiligen Lebenswegen. Auswanderung und meist völliger Neuanfang prägte die jeweiligen Biographien bis an ihr Lebensende.
Nach den Begrüßungsworten des Herausgebers, Prof. Dr. Gradl, beleuchtet Herr Schmit zunächst das juristische Dilemma in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Deutsche Juristen, welche in ihrer Vergangenheit selbst zum Rechtssystem des Nationalsozialismus beigetragen haben, bzw. es juristisch vertreten und angewandt haben (erst Ende der 50-er Jahre waren etwa die Hälfte der Juristen solche, die ihren Studienabschluss nach 1945 absolviert hatten), sollten nunmehr über Schuldfragen ihrer Kollegen in der Auslegung und Anwendung dieses Systems befinden. In der Folge wurde keiner der angeklagten Juristen schuldig gesprochen. Rechtfertigungsbestreben nach 1945 („Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein.“) und die Selbstgleichschaltung der Juristen bereits zu Beginn des NS-Regimes mit dem unrühmlichen Schwur von 12.000 Juristen auf dem Deutschen Juristen Tag im Oktober 1933 („… daß wir unserem Führer auf seinem Wege als deutsche Juristen folgen wollen bis zum Ende unserer Tage“) wurden in dem Vortrag noch einmal herausgestellt. Bis 1938 wurden schließlich 4.400 jüdische Anwälte aus dem Dienst gedrängt – damit war noch mehr Platz für „arische“ Anwälte, denen man insgesamt keine nennenswerte Solidarität mit ihren jüdischen Kollegen bescheinigen kann.
Während der „Große Frieden mit den Tätern“, so eine Formulierung des 2014 verstorbenen Publizisten Ralph Giordano 1985 in seinem Buch „Die zweite Schuld. Oder von der Last ein Deutscher zu sein“, in den meisten Fällen für die Juristen bedeutete, auch in der Nachkriegszeit wieder ihrem Beruf nachgehen zu können, verlief die Biographie der jüdischen Juristen völlig anders.
Franz-Josef Schmit erläuterte in seinem Buch am Beispiel von fünf Juristen aus Wittlich seine zum Teil erstaunlichen Entdeckungen in amtlichen Unterlagen. Vor allem aber beeindruckten seine Erzählungen über Kontakte zu den noch lebenden Nachkommen der verfolgten Juristen, welche sein Vorhaben gerne unterstützten.
Seinen Vortrag schloss er mit einem Appell, die Fehler der Vergangenheit in der Gegenwart nicht noch einmal zu wiederholen. Dabei erinnerte er an die vergleichbare Situation vieler akademischer Flüchtlinge, welche zur Zeit in großer Zahl ihr Land verlassen müssen und - ähnlich den jüdischen Juristen, Künstlern oder auch nur systemkritischen Persönlichkeiten in den 30-er Jahren - in einer für sie fremden Kultur einem Neuanfang gegenüberstehen. Er zitiert dabei Bertholt Brechts Exilgedicht „Über die Bezeichnung Emigranten“ (1937), dessen Schlussvers auch dem Titel des Buches entspricht:
„Immer fand ich den Namen falsch, den man uns gab: Emigranten. Das heißt doch Auswanderer. Aber wir wanderten doch nicht aus, aus freiem Entschluß wählend ein anderes Land. Wanderten wir doch auch nicht ein in ein anderes Land, dort zu bleiben, wenn möglich für immer. Sondern wir flohen. Vertriebene sind wir, Verbannte!“ Das Buch, erschienen als Band 17 der Schriftenreihe des Emil-Frank-Instituts, ist zum Preis von 14,90- € im Buchhandel erhältlich. Gerne können Sie sich melden, wenn Sie Unterstützung benötigen.
Text & Fotos: Klaus Wahl