Erstaunlich viele Parallelen
Am Sonntag, den 26.04.2015, luden die internationale katholische Friedensbewegung Pax Christi, der christlich-islamische Gesprächskreis, das Emil-Frank-Institut und die Katholische Erwachsenenbildung Mittelmosel im Dekanat Wittlich zu einer interreligiösen Führung in die Gotteshäuser St. Markus-Kirche, die Kultur- und Tagungsstätte Synagoge Wittlich sowie die Sultan-Eyyüp-Moschee ein.
Die jeweiligen Führungen wurden geleitet von Dr. Karl-Heinz Musseleck (Pfarreienrat Wittlich), Natalie Uder M.A. (Projektmitarbeiterin Emil-Frank-Institut) und Tahir Doğan (Dialogbeauftragter der türkisch-islamischen Union der Anstalt für Religion e. V. DITIB). Eingeladen waren alle interessierten Menschen unabhängig ihrer Glaubenszugehörigkeit. Ziel der Veranstaltung war es, den Glauben des jeweils anderen besser kennenzulernen, miteinander ins Gespräch zu kommen, Meinungen auszutauschen, Vorurteile abzubauen, sich der verbindenden Gemeinsamkeiten, aber auch der Unterschiede innerhalb der drei großen monotheistischen Religionen bewusst zu werden.
Ca. 35 Teilnehmer/Teilnehmerinnen nutzten das Angebot und ließen sich über Geschichte, Glauben und religiöse Praxis des Judentums, Christentums und Islam aufklären. Besonders erfreulich war die Anwesenheit der zum Teil aus Syrien stammenden Asylbewerber, die den Rundgang nutzten, um die Stadt zu erkunden.
Die interreligiöse Veranstaltung begann mit einer Führung in der Markuskirche. Dr. Musseleck sprach über die bauliche Struktur, die Nutzung besonderer liturgischer Orte (z. B. Taufbecken, Ambo, Altar, Hochaltar), die Bildsprache und deren symbolische Aussagekraft. Insbesondere die Darstellung der Heiligen und der Ablauf einer Fronleichnamsprozession löste ein wahres Interesse unter den muslimischen Gästen aus, was mit vielen Fragen einherging. Zum Abschluss erfüllte der Klang der Orgel den Raum und lud nebenbei zu einem selbständigen Erkundungsgang innerhalb der Kirche ein.
Frau Uder übernahm daraufhin die Führung in der Synagoge, welche Herr René Richtscheid M.A. (Geschäftsführer des Emil-Frank-Instituts) mit weiteren Informationen ergänzte. Eingegangen wurde auf die Geschichte der jüdischen Gemeinde Wittlich vom Mittelalter bis zur Zeit des Nationalsozialismus, Baugeschichte und Architektur des Gotteshauses, liturgische Nutzung und Gebetspraxis. Um den Zuhörern die religiösen Bräuche näher zu bringen und diese mit den Sinnen erfahrbar zu machen, brachte man aus dem Bestand des Emil-Frank-Instituts ein Gebetskäppchen (Kippa), einen Gebetsmantel (Tallit) und einen von zwei Gebetsriemen (Tefillin) mit. Genannte Gegenstände durften die Anwesenden anfassen, anschauen und herumreichen, was zu einem regen und vor allem begrüßenswerten kommunikativen Austausch untereinander führte. Gegen Ende der Führung wurde dann deutlich, dass die Wittlicher Synagoge sowohl in ihrem äußeren Erscheinungsbild als auch hinsichtlich ihrer Innenarchitektur und Raumaufteilung mit christlichen Kirchen im neoromanischen Stil Gemeinsamkeiten aufweist. Diese Orientierung am christlichen Kirchenbau sollte ein Zeichen für die Inklusion in die christliche Umwelt, ein Zeugnis des friedlichen Miteinanders von Christen und Juden in einer ihrer Mehrheit nach katholischen Stadt sein.
Anschließend folgte die Gruppe der Einladung in die Moschee der Ditib-Gemeinde, in der sie von Imam Nihat Arpagus, dem Gemeindevorsitzenden Sebahattin Topal und Herrn Doğan herzlich begrüßt wurden. Letzterer informierte über die Entstehung der Gemeinde zu einer Zeit als Deutschland Gastarbeiter benötigte. Des Weiteren ging er auf Geschichte und Glauben des Islam im Allgemeinen sowie die Einrichtung und Nutzung der Moschee ein. Er ließ dabei auch nicht aus, auf die weiteren muslimischen Gemeinden Wittlichs hinzuweisen – den Verband der Islamischen Kulturzentren e.V. (VIKZ) und die Ahmadiyya Muslim Jamaat. Gemeinsam mit Herrn Ijaz Zafar (Mitglied der Ahmadiyya-Gemeinde) erklärte und demonstrierte Herr Doğan die rituelle Waschung vor dem Gebet. Danach versammelten sich alle im Gebetsraum, in dem der aus der Türkei entsandte Imam zur Beantwortung von Fragen zur Verfügung stand. Für die Anwesenden als etwas Besonderes wahrgenommen wurde die Darbietung einer Koranrezitation. Selbst ohne vorhandene Sprach- und Textkenntnisse ließ sich für die nichtmuslimischen Gäste aus Melodie und gesanglichem Ausdruck ein Stück Sehnsucht nach Gott heraushören.
Am Ende des Tages, welcher mit einem Austausch bei türkischem Tee endete, wurden sich die TeilnehmerInnen der verbindenden Gemeinsamkeiten, aber ebenso der Unterschiede zwischen den Gotteshäusern und der Ausübung des Glaubens bewusst. Vor allem in liturgischer Ausstattung und Nutzung weisen beispielsweise die Wittlicher Synagoge und die Ditib-Moschee im Vergleich zueinander eine größere Ähnlichkeit auf als im Vergleich zur Markuskirche.